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Die DB schafft sich Erfolge

Statt sich auf das bisherige Maßnahmenportfolio zu fokussieren, verkünden “Bund und DB eine Initiative für schnelle Kapazitätserweiterung mit über 350 kleinen und mittleren Maßnahmen [KuMM] bis 2030” (Quelle: DB AG). Neben den bereits (teilweise) bekannten Maßnahmenpaketen (1. Entlastung überlasteter Schienenwege, 2. (ICE-)Halbstundentakt und 3. Seehafen-Hinterlandverkehr) zählt die DB Netz fortan zusätzlich vier weitere Maßnahmenpakete hinzu, ohne dies mit der Branche abgestimmt zu haben. Neben den drei ursprünglichen Maßnahmenpaketen zählen nun auch “Kleinstmaßnahmen”, das 740-Meter Netz, das Programm “Starkes Netz” sowie “dringliche Überleitstellen” und “Sonstiges” zu den KuMM. Die Anzahl der laut DB verkehrlich sinnvollen KuMM steigt damit auf 355. Nicht erklärt wird wiederum, warum die Anzahl der KuMM der drei bekannten Maßnahmenpakete plötzlich und ohne Begründung von 120 (vgl. News März 2022/Abb. KuMM 12) auf 115 sinkt (vgl. Abb. KuMM 24).

Die DB rechnet sich damit schön und versucht, durch aufgeblasene Maßnahmen-Zahlen zu beeindrucken. Vor allem kann sie sich nach der neuen Zählweise nun damit brüsten, dass 2023 bereits 79 Maßnahmen (22 Prozent in Betrieb genommen worden seien). Obwohl: eigentlich wäre das eigentlich gar keine gute Nachricht, wenn nahezu ein Viertel des KuMM-Programms schon umgesetzt wäre, ohne dass die Betriebsqualität wenigstens punktuell besser geworden wäre.

Wir fassen noch einmal zusammen, wo Politik, Verwaltung, Medien, Verbände und vor allem die direkten Kunden der DB Netz AG, die Eisenbahnverkehrsunternehmen in die Irre geführt werden:

  • Betrachten wir das ursprüngliche KuMM-Maßnahmenportfolio, wären 2023 gerade einmal drei von 115 Maßnahmen umgesetzt worden (vgl. Abb. KuMM 24). Dies entspricht 2,6 Prozent. Zu den Maßnahmen zählen der Neubau von zwei Überleitweichenverbindungen bei Karlstadt/Überleitstelle Gambach sowie die zusätzliche Blockteilung im Gegengleis zwischen Retzbach-Zellingen – Karlstadt. Ob diese rechtzeitig oder bereits fertiggestellt sind, ist der Redaktion nicht bekannt. Zusätzlich befinden sich fünf Maßnahmen in der Leistungsphase 1 beziehungsweise 2. Zwölf weitere in der Leistungsphase 3 beziehungsweise 4.
  • Die in der jüngsten Übersicht erwähnte Zahl von 48 (vgl. Abb KuMM 24) in Betrieb genommenen Maßnahmen (2022) beinhaltet Projekte, die zum Teil seit über vier Jahren abgeschlossen sind. Sie ergibt sich aus bereits abgeschlossenen Maßnahmen zum 740-Meter Netz, “Kleinstmaßnahmen zur Verbesserung der Betriebsqualität” sowie “sonstigen Maßnahmen” (vgl. Abb. KuMM 24) So wurden zum Beispiel erste 740-Meter-Maßnahmen immerhin schon 2018 fertiggestellt. Diese kreative Zählweise verschleiert, dass die DB Netz selbst „KLEINE“ und „MITTLERE“ Maßnahmen nicht schnell in die Praxis umsetzt. Der geneigten Öffentlichkeit wird zugleich suggeriert, alles liefe.
  • Für Kund:innen wird nicht ersichtlich, was man unter “Kleinstmaßnahmen zur Verbesserung der Betriebsqualität” (vgl. Abb. KuMM 24) versteht. Auf eine schriftliche Anfrage bei der DB Netz AG vom 20. April 2023 erhielten wir keine Antwort (Stand 19. Juni 2023). Mündlich wurden seitens eines hochrangigen DB-Vertreters Maßnahmen genannt, die Kapazität im Rahmen der Instandhaltung schaffen könnten, etwa die Veränderung der sogenannten Überhöhung des äußeren Kurvengleises, um eine geringfügig höhere Fahrgeschwindigkeit in dem geschwindigkeitslimitierenden Streckenabschnitt zu ermöglichen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die DB unzweideutig sinnvolle kleinste Maßnahmen (die auch früher schon realisiert wurden) nun auch zu den „Kleinen und Mittleren Maßnahmen“ zählt, um mehr Aktivität zu zeigen. Denn selbst 120 dereinst realisierte KuMM sind bezogen auf ein etwa 33.000 Kilometer langes Schienennetz doch vergleichsweise wenig – eine auf 275 Streckenkilometer).
  • In welcher Höhe bereits weitere Mittel für die Maßnahmenpakete „Überlastete Schienenweg“, „Halbstundentakt“ sowie zum „Seehafen-Hinterlandverkehr“ bereitgestellt wurden, wurde weder seitens des BMDV noch der DB Netz kommuniziert. (vgl. LOK Report, 23.12.2022).

Die neue Definition lässt auf den ersten Blick den Fortschritt der KuMM größer aussehen als er wirklich ist. Gleichzeitig suggeriert die grafische Darstellung ein erfolgreiches Baumanagement (vgl. Abb. KuMM 24). Unterschiedliche Maßnahmenpakete in einen Topf werfen, um die vermeintlichen Erfolge größer wirken zu lassen und gleichzeitig “Kleinstmaßnahmen”, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt fast die Hälfte aller umgesetzten Maßnahmen ausmachen, (Stand 19. Juni 2023) undefiniert zu lassen, fördert nicht das Vertrauen der Branche.

Abb. KuMM 24: DB Netz, Präsentation “4. Virtueller Kundendialog 2022″, Folie 14, 25. November 2022

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