Stellwerk an nicht elektrifizierter Strecke

Ist der „Ausnahmefall“ nicht doch die Regel?

DB-Sprecher Achim Stauß ließ vor wenigen Tagen verlauten, die Probleme mit ausfallenden Stellwerken seien eigentlich „Ausnahmefälle“ (tagesschau.de vom 10. September 2024). Da wir auf DB-Watch die These vertreten, es handele sich um ein systematisches Problem, haben wir die Gegenprobe gemacht – und haben im DB-Portal strecken-info.de nachgeschaut. Allein im Zeitraum vom 04. September (00:00 Uhr) bis zum 11. September (09:00 Uhr) sind dort 18 Fälle von „Nicht-/Unterbesetzung von Stellwerken“ dokumentiert. Hinzu kommen 15 Fälle, bei denen weitere Ursachen angegeben wurden und teilweise ganze Streckenabschnitte lahmlegten, sowie unzählige „Störungen an Signalanlagen“.

Die Auswirkungen des Ausfalls nur eines Stellwerks können fatal sein: Am Dienstag informierte die DB InfraGO im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz darüber, dass das Stellwerk in Hamburg-Harburg nicht im regulären Betrieb arbeiten könne, was alle Züge aus Richtung Hamburg in Richtung Lüneburg/Hannover und umgekehrt betraf. Die Züge durften nicht schneller als 40 km/h fahren und mussten für die Fahrt „schriftliche Befehle“ (Fahrbefehle, die den Triebfahrzeugführer:innen per Zugfunk diktiert werden) aufnehmen. Ursache war offenbar eine von der DB InfraGO selbst übersehene „Frist“ (eine vorgeschriebene, anlasslose Anlagenkontrolle). Die DB InfraGO entschied daraufhin, den Betrieb des Stellwerks einzustellen. Allein ein einzelnes Unternehmen musste 29 Güterzüge aufhalten.

Die DB InfraGO hat durch jahrelanges Missmanagement die Situation selbst geschaffen: vernachlässigte, alte Technik, gepaart mit einem massiven Mangel an Personal. Beides wird sich kurzfristig kaum ändern, die InfraGO selbst hat erst für Ende 2025 Besserung versprochen. Technik erneuern und Personal ausbilden dauert seine Zeit. Private Güterbahnen drängen auf weitere kurzfristige Lösungen, die die InfraGO bisher nicht anbietet.

Wie marode die Stellwerke sind, zeigt ein Blick in den „Netzzustandsbericht 2023“. Mehr als die Hälfte der Stellwerke befinden sich mindestens in einem „schlechten“ Zustand – Tendenz weiter sinkend (vgl. S. 7). Im Vergleich zu 2022 verschlechterte sich die Gesamtnote um 0,27 Prozentpunkte auf einen historischen Tiefstwert von 4,02 (vgl. S. 15). Gepaart mit der schleppenden Personalgewinnungskampagne ist zunächst eine Verschärfung der Situation zu erwarten.

@dbwatch_bahn auf X am 10. Mai 2024

Auf DB-Watch haben wir übrigens schon mal eine Probe aufs Exempel gemacht und in einem Zeitraum von drei Monaten überwacht, wie groß das Problem ist: Zur Datenauswertung.

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