Neuigkeiten zur Korridorsanierung zwischen Hamburg und Hannover: das Schlechteste aus zwei Welten

Nach langen, nicht-öffentlichen Gesprächen zwischen Bund, Land Niedersachsen und DB scheint festzustehen: zwischen Hamburg und Hannover gibt es bei Sanierung und Ausbau der Schieneninfrastruktur das Schlechteste für die Kunden des Schienenverkehrs aus zwei Welten. Zur Erinnerung: Im ersten Aufschlag der DB-Planungen zur Sanierung von hoch belasteten Korridoren aus dem zweiten Halbjahr 2022 war eine – typischerweise – fünfmonatige Vollsperrung der bestehenden und immer wieder von Infrastrukturstörungen geplagten Strecke von Hamburg über Lüneburg, Uelzen und Celle nach Hannover vorgesehen – und zwar im ersten Halbjahr 2026. Auf der überlasteten zweigleisigen Strecke fahren heute bis zu 230 Züge des Personenfern- und Nahverkehrs und des Güterverkehrs. Im September 2023 wurde dann entschieden, eine zweite Sperrpause für 2029 einzurichten, um nötige kapazitätssteigernde Maßnahmen umzusetzen (wir berichteten). Nun wurde final bekannt, dass die Strecke 2026 für drei Monate und 2029 für fünf Monate komplett gesperrt werden soll. Kapazitätssteigernde Maßnahmen der bisherigen stark belasteten Strecke wird es jedoch kaum geben, der seit Jahren diskutierte drei- oder viergleisige Ausbau ist weiterhin nicht in Sicht (Tagesschau am 26. August 2024).

Auf Nachfrage bestätigte die DB, dass unabhängig vom schönen Konzeptbegriff „Generalsanierung“ der Ersatz der vorhandenen Stellwerkstechnik in Uelzen und Umgebung bereits seit langer Zeit für 2026 geplant war und als „Anker“ für die zeitliche Lage der Vollsperrung diente. Der Austausch sei auch unverschiebbar, so dass eine Vollsperrung notwendig sei. Aber drei Monate? Die schlichte Inbetriebnahme eines elektronischen Stellwerks ist bestenfalls eine Frage von Tagen. Die üblicherweise vorab in kleineren Schritten erfolgenden Kabel- und Signalarbeiten an der Strecke kann die DB InfraGO nach eigener Aussage nun aber nicht mehr auf die Zeit bis Mitte 2026 verteilen und will dafür drei Monate die gesamte Strecke sperren.

Die Vollsperrung 2029 soll aber dennoch kommen – ob für fünf Monate oder länger, ist bisher offen. Nicht mehr offen scheint zu sein, dass dann anders als erwartet keineswegs alle 2015 diskutierten Kapazitätserhöhungen kommen sollen, sondern – aus Finanzierungsgründen, wie es heißt – nur ein kleiner, bisher aber öffentlich auch nicht genau bekannter Teil der Maßnahmen. Zu vermuten ist, dass DB und Bund den Druck auf das Land Niedersachsen, die ihrerseits weiter verfolgte Neubaustreckenplanung, hoch halten wollen. Opfer sind die Kunden auf der Schiene, die in Niedersachsen wieder einmal das Nachsehen haben, weil die Infrastruktur auf der Streckenkapazität der späten achtziger Jahre verharrt und die zentrale Strecke für drei-plus-mindestens-fünf Monate für eine Sanierung gesperrt werden wird.

Die Folgen für die Verkehre sind erheblich: für den Schienengüterverkehr sieht das Umleiterkonzept der DB InfraGO eine Teilung der Verkehrsströme aus und nach Hamburg auf drei Achsen vor: erstens über Büchen in Richtung Stendal und zweitens über Rotenburg und Verden. Dort soll trotz existierender Vorplanung das geplante zweite Gleis zwischen Rotenburg und Verden aber auch nicht bis 2029 fertig gebaut sein. Und drittens will sie bis zu 60 Güterzüge pro Tag in der vor allem für den Hamburger Hafen wichtigen Nord-Süd-Relation über Bremen, Osnabrück, das Ruhrgebiet und das Mittelrheintal nach Süden führen – also mitten durch heute schon hoch belastete Knoten. Eigentlich sollte in einer konzertierten Aktion Sanierung und Kapazitätsausbau auf der Bestandsstrecke „verkehrsschonend“ optimal für 2029 vorbereitet werden – um in Ruhe mit Kommunen und Land Niedersachsen über den besten Weg zu einer weiteren Kapazitätssteigerung zu sprechen, die bei wachsenden Verkehrsmengen immer dringender wird.

Zum Hintergrund:

Seit 30 Jahren wird über Ideen zum Ausbau der Kapazität in Nord-Süd-Richtung diskutiert, während der Verkehr immer weiter wächst und sie immer häufiger im nördlichen Abschnitt zwischen Hamburg und Uelzen zusätzlich als Umleiterstrecke für Verbindungen nach und von Berlin dienen muss. Neubauvorhaben von DB und Bund, bekannt wurde vor allem die sogenannte Y-Trasse, wurden in den betroffenen Regionen und von der in dieser Hinsicht zurückhaltend bis ablehnend agierenden Landesregierung immer wieder ausgebremst, während besonders aus der zweitgrößten deutschen Stadt Hamburg mit ihrem Hafen Druck gemacht wurde. 2015 wurde ein Kompromiss zum teilweisen (dreigleisigen) Ausbau der bestehenden Verbindung und zusätzlichen Ausbaumaßnahmen auf weiteren Strecken im „Dialogforum Nord“ politisch verabredet und später noch einmal zum Konzept „Alpha E plus“ modifiziert. Die vorgesehenen kapazitätssteigernden Maßnahmen wurden jedoch planerisch nicht in größtmöglicher Geschwindigkeit angegangen und sind deswegen bis heute nicht realisiert oder fertig geplant.

DB und Bund haben im Zuge der Ausarbeitung des Deutschlandtakt-Konzepts eine neue Variante einer Neubaustrecke auf der quasi kürzestmöglichen Verbindung verfolgt, um im Personenfernverkehr eine maximale Fahrzeitverkürzung samt Verknüpfung mit anderen Linien in den Knotenbahnhöfen zu ermöglichen. Die Planung stieß und stößt auf Wiederstände in der Region, was dazu führte, dass sich zunächst die niedersächsische Landesregierung und später auch die Bundes-SPD samt ihres wahlkreisbetroffenen Vorsitzendem von der Idee distanzierte. Absetzbewegungen von der Idee kamen zuletzt auch vom Bundesverkehrsminister, der einen Neubau nicht gegen die Menschen durchsetzen möchte. Die richtige Idee, wenigstens auf der bestehenden Strecke – wie 2015 verabredet – die Kapazitäten ein Stück weit zu erhöhen und für den Bau solcher Maßnahmen die vorgesehene Sanierungs-Vollsperrung zu nutzen, führte dazu, dass über eine Verschiebung der Sperrung/Sanierung ins Jahr 2029 gesprochen wurde. Die Planung und Genehmigung der einzelnen Maßnahmen benötigt Zeit.

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