Das Bild zeigt mehrere Gleise und eine Weiche

Personalmangel auf Stellwerken

Stellwerke steuern den Eisenbahnbetrieb. Um ein Stellwerk zu bedienen, braucht es sogenannte Fahrdienstleiter:innen, neuerdings von der DB auch Zugverkehrssteuer:innen genannt. Und diese fehlen. Allein an diesem Wochenende (02.08.2024 – 04.08.2024), fällt das Stellwerk in Haiger aufgrund von Personalmangel für 24 Stunden aus, wodurch durch die Ruhr-Sieg Strecke von Hagen nach Siegen nicht befahrbar sein wird – Umwege von 60 Kilometer sind die Folge.  Groß angekündigte Maßnahmen der vergangenen Jahre haben stets nur zu einer – wenn überhaupt – kurzfristigen Verbesserung der Lage geführt. Zu spät startet die DB InfraGO nun eine Personalgewinnungskampagne. Spürbare Effekte wird diese Strategie jedoch frühestens im kommenden Jahr zeigen. Für eine kurzfristige Verbesserung ist nun ebenso die Politik gefragt. DB-Watch fordert daher, dass die Verantwortlichen die wettbewerbserschwerende Situation für den Schienengüterverkehr schnellstmöglich auflösen und wird dazu die Situation ab sofort kontinuierlich begleiten. 

Vereinfacht gesagt, steuern Zugverkehrssteuer:innen in einem Stellwerk Weichen auf den Strecken und in Bahnhöfen, damit Züge „abbiegen“ können. Ein essenzieller Job, wenn es um den Betrieb von Schieneninfrastruktur geht, der allerdings kaum Nachwuchs findet. Bedenklich, denn bereits der Ausfall eines einzigen Stellwerks kann Auswirkungen auf den gesamten Zugverkehr in Deutschland haben. Auf Grundlage von Rückmeldungen der Mitgliedsunternehmen des Verbandes DIE GÜTERBAHNEN waren zwischen Mitte August 2023 bis zum 01. Januar 2024 in ganz Deutschland mindestens 2.594 Stunden Stellwerke nicht besetzt. Umgerechnet ergeben sich so 108 volle Tage, in denen auf betroffenen Strecken kein Schienenverkehr möglich war. Die tatsächliche Zahl liegt noch deutlich höher.  

Die Personalgewinnungskampagne der DB InfraGO zeigt zwar Wirkung, der Bedarf ist jedoch noch längst nicht gedeckt. Aus einer Präsentation, die die DB InfraGO im Rahmen einer Kundenveranstaltung am 09. Juli 2024 den Stakeholdern präsentierte, geht hervor, dass aufgrund der notwendigen Ausbildungsdauer frühestens im kommenden Jahr 2025 spürbare Effekte erwartet werden. Dabei sind die Probleme schon viel länger bekannt. Die Aufschiebe-Taktik hat jetzt zur Folge, dass allein in diesem Jahr 1.200 Zugverkehrssteuer:innen ausgebildet werden müssen, um den Bedarf gerecht zu werden. Immerhin: Nach Aussagen der DB InfraGO konnten seit Januar alle Ausbildungsplätze besetzt werden. Nichtsdestotrotz konnte die Personallücke aufgrund des demografischen Wandels nur um ca. 250 Zugverkehrssteuer:innen geringfügig geschlossen werden (vgl. Abb. 1). Aber es mangelt nicht nur an Fachkräften auf den Stellwerken, auch fehlen Ausbilder:innen, die ihr Wissen teilen.Insgesamt arbeiten bei der DB InfraGO etwa 13.000 Personen auf  3.833  Stellwerken. 

Abb. Stellwerke 1: DB InfraGO, Präsentationsunterlagen Infoveranstaltung Q2/2024, S. 8, 09. Juli 2024 

„Sofortmaßnahmen“, um die Situation kurzfristig zu verbessern, fehlen jedoch. Eine Möglichkeit bestünde darin, den Zugverkehrssteuer:innen Anreize zu bieten von weniger stark belasteten Strecken auf besonders stark unterbesetzte Stellwerke im Kernnetz zu wechseln. Wohngeld, Fahrtzuschläge, Bonuszahlungen und andere Anreize werden dafür, laut Aussagen einer Gewerkschaft bereits heute in Betracht gezogen – bisher jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Die Stellwerke im Knoten Frankfurt am Main sind beispielsweise heute einige der „Sorgenkinder“ der DB InfraGO

Die Politik hat den Ernst der Lage offenbar noch nicht erkannt. Laut Gewerkschaften hoffen die zuständigen Politiker:innen und Mitarbeiter:innen in den Ministerien auf einen Rückgang des benötigten Personalbedarfs durch die technische Weiterentwicklung bzw. die Digitalisierung der Stellwerkstechnologie. Allerdings schreitet der Fortschritt – auch mangels finanzieller Mittel vom Bund – nur langsam voran. Nur eines (1) der 3.833 Stellwerke in Deutschland ist bislang digitalisiert (vgl. Infrastrukturzustands- und –entwicklungsbericht 2023, 03.05.2024, S. 184) 

Welche folgenschweren Auswirkungen der Mangel an Zugverkehrssteuerer:innen haben kann: Schon im Sommer 2013 war die Situation derart prekär, dass sich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel einschalten musste, als in einem Stellwerk in Mainz durch Urlaube und Krankmeldungen die Situation außer Kontrolle geriet (vgl. ZEIT online, 14.08.2013, Link).  

Abb. Stellwerke 2: Merkel drängt Grube zu schnellen Lösungen“ (ZEIT online, 14.08.2024) 

Der größte Unterschied zur heutigen Situation: Damals hätte es insbesondere den Personenfernverkehr getroffen, der nicht nur politisch, sondern auch medial in der Regel mehr Aufmerksamkeit erhält als der Güter- und Personennahverkehr. Heute ist es insbesondere der Schienengüterverkehr, der unter den Problemen leidet, denn dieser fährt vor allem nachts, gerade dann, wenn viele Stellwerke auf Grund des Personalmangels nicht besetzt sind. Regelmäßig müssen Güterzüge abgestellt werden und warten, bis der/die nächste Zugverkehrssteuer:in seine/ihre Schicht antritt oder müssen weite Umwege fahren. In beiden Fällen entstehen für die Unternehmen massive Schäden, etwa durch betriebliche Mehrkosten, aber vor allem durch Vertrauensverlust der Kunden und Kundinnen.  

Weitere News zur Generalsanierung