Umleitung Düsseldorf-Berlin

Umwege als Dauerzustand – Realität auf deutschen Güterstrecken

Güter sollen von A nach B – am besten direkt, ohne Umwege. Beim margenschwachen Güterverkehr zählt jeder Kilometer, um mit dem Lkw konkurrenzfähig zu bleiben. Doch was uns ein Eisenbahnverkehrsunternehmen anhand von aktuellen Streckenverläufen zuschickte, ist das Gegenteil: teils absurde, kilometerlange Umwege. Es bedarf keiner weiteren verkehrsgeografischen Erklärungen – auch als Laie erkennt man, dass diese Laufwege nicht wirtschaftlich sein können:

Solche Umwege sind kein Einzelfall, sondern Alltag auf dem kaputtgesparten Netz der DB InfraGO AG.

Abb. InfraGO 04: Umleitung Hamburg-Dresden
Abb. InfraGO 05: Umleitung Leipzig-Decin
Abb. InfraGO 06: Umleitung Köln-Dresden
Abb. InfraGO 07: Umleitung Bremerhaven-Leipzig

Symptom eines dysfunktionalen Systems

Die Verantwortung für diese Missstände liegt nicht bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen – sondern beim Netzbetreiber. Die DB InfraGO AG (deren Umbenennung von DB Netz als „gemeinwohlorientiert“ verkauft wurde) scheint ihrer eigentlichen Aufgabe – einem verlässlichen und durchgehenden Betrieb – nicht mehr gerecht zu werden. Die rechtlichen und vertraglichen Pflichten für eine frühzeitige Ankündigung von Baumaßnahmen und der daraus folgenden Auswirkungen werden seit Jahren missachtet. Erschwerend kommt hinzu, dass Stellwerke oftmals unterbesetzt sind und kurzfristig ausfallen. Planungschaos ist so vorprogrammiert.

Streckensperrungen infolge von Bauarbeiten sind ein notwendiges Übel. Doch die fehlende strategische Planung, das Fehlen sinnvoller Umleitungsstrecken, die nicht abgestimmte Baustellenkoordination und mangelhafte Kommunikation mit Verkehrsunternehmen führen zu einem System, in dem Güterverkehre oft unplanbar werden. Nicht nur zum Leid der Industrie, sondern auch der Mitarbeiter:innen der Eisenbahnverkehrsunternehmen, die die Konsequenzen den Kunden erklären müssen. Im Gegensatz zum Personenverkehr wird im Güterbereich oft improvisiert – auf Kosten von Wirtschaftlichkeit und Klimabilanz. Zwar können Eisenbahnverkehrsunternehmen Schadensersatz bei der DB InfraGO geltend machen, doch die Prozesse sind umständlich oder decken nur einen kleinen Teil der Mehrkosten ab. Und: Bei der Zahlung der Schadensersatzansprüche greift die DB InfraGO auf die Trassenpreise zurück, die sie von den Eisenbahnverkehrsunternehmen mit der anderen Hand wieder einnimmt.

Abb. InfraGO 08: Kurve
Abb. InfraGO 09: Umleitung Bremen-Berlin
Abb. InfraGO 10: Umleitung Düsseldorf-Berlin

„Totalstillstand“ auf dem RFC1

Das Redaktionsteam von DB-Watch musste gar nicht lange suchen, um einen tagesaktuellen Fall zeigen zu können: Ab dem 20. Juni 2025 wird es auf dem europäischen Güterverkehrskorridor RFC1 (Rotterdam–Genua) zum Stillstand kommen. Wegen der nächtlichen Sperrung der Siegstrecke (zwischen Dillenburg und Gießen) ist der Verkehr dort an mehreren Tagen jeweils zwischen 18:00 bzw. 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr vollständig unterbrochen. Hinzu kommt in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni eine Totalsperrung der rechten Rheinstrecke sowie eine eingleisige Betriebsführung auf dem Linken Rhein zwischen Werlau und Mainz-Mombach.

Die Folge: Der Schienengüterverkehr auf der Nord-Süd-Achse wird großräumig zurückgestaut. Die wenigen verbleibenden Kapazitäten werden auf ein einzelnes Gleis beschränkt. Umleitungen sind nicht nur ineffizient, sondern teilweise schlicht nicht mehr möglich

Abb. InfraGO 11: Frankfurt Main
Abb. InfraGO 12: Leipzig-Dresden
Abb. InfraGO 13: Umleitung Hamburg-Berlin

Die Frage der Glaubwürdigkeit

Diese Fälle zeigen exemplarisch, wie weit Anspruch und Realität bei der neuen „gemeinwohlorientierten“ DB InfraGO auseinanderklaffen. Solange Bau- und Fahrplankoordination nicht mit den Bedarfen des Schienengüterverkehrs zusammengedacht werden, bleibt das Narrativ der Gemeinwohlorientierung eine Worthülse.

Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, wie ernst es ihr mit der Verlagerung von Verkehr auf die Schiene wirklich ist – und ob ein Infrastrukturunternehmen innerhalb einer Aktiengesellschaft, das für massive Umwege sorgt und dafür keine Verantwortung übernimmt, noch das geeignete Instrument für die Verkehrswende ist.

Abb. InfraGO 14: Umleitung Münster-Berlin
Abb. InfraGO 15: Umleitung Osnabrück-Cottbus
Abb. InfraGO 16: Umleitung Wilhelmshafen-Celle
Abb. InfraGO 17: Umleitung Bremerhaven-Dresden

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